Jetzt reisen und die Welt retten! – Interview mit Beate Zwermann


Jetzt reisen und die Welt retten!

Autor: Beate Zwermann Frankfurt, 22. Februar 2021

Deutschland versinkt im Meinungschaos, die Zustimmung zu den Lockdown-Maßnahmen kippt. Die Bundesregierung ist auch nach elf Monaten Pandemie ohne einen Masterplan zur Wiedereröffnung der Welt. Die Impfungen kommen nur schleppend voran. Sehnsüchtig blicken wir nach Israel, Großbritannien und in die USA. Die ersten Ministerpräsidenten wollen den Osterurlaub absagen und mutmaßen über Pfingsten und den Sommer. Derweil veröffentlicht das Robert-Koch-Institut gerade jetzt eine Studie aus dem Sommer 2020, die zeigt, dass die Pauschalreise kein Pandemietreiber war. Die viel diskutierten Reiserückkehrer mit hohen Inzidenzen sind vielmehr Gastarbeiter aus Osteuropa und den Balkanstaaten im Gesundheitssystem, bei Fleischerzeugern etc. Will das RKI damit dem Wieder- hochfahren der Reisebranche den Weg ebnen?

Klar ist: Die Reisebranche braucht dringend eine Perspektive. Die Menschen in Deutschland wollen reisen. Ab Ostern muss es wieder möglich sein.

Ein Selbstinterview.

Seit September 2020 reisen wieder Deutsche nach Ecuador und auf die Galapagos-Inseln. Wie ist das möglich?

Ecuador hat eine simple, aber wirksame Pandemiestrategie gefahren: Von Mitte März bis Ende Juni 2020 war das Land in einem sehr harten Lockdown mit Ausgangsperren, Alkoholverbot etc. Eine strenge Maskenpflicht besteht schon seit Ende März 2020 im ganzen Land. Die Regierung hat die Zeit des Lockdowns dafür genutzt, ein Hygienekonzept zu erarbeiten, das ab Mitte Mai in allen Lebensbereichen eingeführt wurde und bis heute gilt. Seit Juni wird die Umsetzung permanent kontrolliert. So konnte das Land ab Juli 2020 sukzessive wieder öffnen. Im August wurde der internationale Reiseverkehr aufgenommen – wie bereits vorher im Wesentlichen über den Luftweg. Die Grenzen zu Peru und Kolumbien sind immer noch für den Reiseverkehr geschlossen. Seit August besteht bereits die Pflicht, mit einem negativen PCR-Test einzureisen. Wer ohne kommt, muss in ausgewiesenen Hotels in Quarantäne. Die Regelungen sind einfach, für alle gleich und gut verständlich. Das ist die Basis des Erfolgs.

Es gab und gibt also keinen weiteren Wellen?

Nach der ersten großen Welle im Großraum der Hafenstadt Guayaquil und der zweiten Welle rund um die Millionenstadt Quito im Sommer gibt es immer wieder Anstiege, ich würde sie Wellchen nennen, die mit Feiertagen, den aktuellen Wahlen und Ferienzeiten zu tun haben. Die Regierung verschärft dann die Kontrollen, schränkt die Bewegungsfreiheit über Fahrverbote etc. ein, aber das Land wird nicht mehr geschlossen. In Ecuador ist man der Überzeugung, mit dem Virus leben zu können und ihn mit den getroffenen Maßnahmen im Griff zu haben.

Wie kommt Ecuador zu einer so anderen Strategie als Europa?

Ecuador orientiert sich an Südkorea und China. Zwar bekam das Land schon im Sommer 2020 Besuch einer Gruppe von Vertretern des RKI, und der ecuadorianischen Gesundheitsminister war in Berlin bei der Charité zu Gast, seine Pandemiestrategie hat sich jedoch nicht geändert. Seit dem Sommer sind in Ecuador Schnelltests zugelassen, die man zum Beispiel beim Einchecken in Hotels oder vor Inlandsflügen macht. Die Galapagos-Inseln schützt die Regierung mit einem zusätzlichen PCR-Test für alle Einreisende, die Inselbevölkerung wird kontinuierlich in Massentests geschickt.

Wird in Ecuador bereits geimpft?

Ja, seit Ende Januar. Das Land hat 18 Mio. Impfdosen für dieses Jahr bestellt, die Mehrheit von Biontech/Pfizer.

In Deutschland besteht weiterhin eine Reisewarnung für Ecuador, müssen Reiseveranstalter deshalb nicht die Reisen absagen?

Bis zur Pandemie war das so, ja. Jetzt buchen und reisen unsere Kunden trotz Reisewarnung. Sie hat damit ihre Funktion und den Wert verloren, denn sie ist, wie auch das Virus, politisch geworden. Ecuador ist dafür ein gutes Beispiel: Bis in den November 2020 hinein stand auf den Seiten des Auswärtigen Amtes, dass die Landesgrenzen Ecuadors prinzipiell geschlossen seien. Erst nach meiner Beschwerde bei der deutschen Botschaft in Quito hat man das verändert. Hier wird aktiv die Wieder-Erholung eines Landes behindert, weil man nicht will, dass wir Deutschen reisen. Das ist kein Kavaliersdelikt. Zum Jahreswechsel habe ich wieder intervenieren müssen, als viele Länder wegen der Mutanten für Europäer dicht machten und Quarantäne bei Einreise verhängten. Das stand dann auch ganz schnell beim AA für Ecuador. Tatsächlich aber hat Ecuador lediglich einen Schnelltest bei Ankunft eingeführt. Auch das konnte ich korrigieren. Der neuste Streich der Botschaft ist die Einstufung des Landes als Hochinzidenzrisikogebiet. Nur eine Woche lang war Ecuador bei über 50 Fällen auf 100.000 Einwohner. Gerne belege ich das hier Gesagte. Übrigens ist Ecuador nach Einstufung in der Schweiz und in Österreich kein Risikogebiet.

Welche Konsequenzen hat diese Einstufung für Ihre Reisenden?

Fast keine, denn verbieten kann das Auswärtige Amt das Reisen nicht. Rückreisende benötigen nun einen negativen Covid-19-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Da bereits die Fluggesellschaften die Beförderung an negative Testergebnisse koppeln, zum Teil in Kombination mit Schnelltests, ist das letztlich eine Farce, weil ja schon vorher erforderlich. Die Testmöglichkeiten in Ecuador sind sehr gut. Die neuen Maßnahmen bedeuten, dass unsere Kunden vor Rückreise eine Nacht in Quito oder Guayaquil verbringen, um den PCR-Test zu machen. Bei Ankunft in Deutschland gehen sie in Quarantäne – wenn sie nicht in Nordrhein-Westfalen leben, auch das ein Kuriosum in diesen Zeiten.

Die Bundesregierung fordert die Menschen auf, zuhause zu bleiben und auf touristische Reisen zu verzichten. Fordern Sie hier zivilen Ungehorsam?

Nein, ich erfülle Reiseträume und helfe den Menschen in Ecuador dabei, wirtschaftlich zu überleben. Gerade hat das RKI eine Studie über Reiserückkehrer im Sommer 2020 veröffentlicht. Sie belegt, dass die organisierte Reise kein Pandemietreiber ist. Wer heute reist, der bereitet sich gut vor. Meine Kunden gehen schon Tage vorher in Isolation, da sie beim PCR-Test keine Überraschung wollen. Die Flugreisenden sind also in einer Blase unterwegs und tragen trotzdem Masken an Bord.

Wie wird es mit den Reisewarnungen weitergehen?

Ich gehe davon aus, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 und die Krankheit Covid-19 schon bald ganz aus den Reisehinweisen verschwinden. Vor der Grippe wird ja auch nicht gewarnt, und Sars-CoV-2 wird es genauso weiterhin überall auf der Welt geben. Man wird sich wieder den regionalen Besonderheiten zuwenden, wie Gelbfieber und Malaria.

Was passiert, wenn sich ihre Kunden in Ecuador anstecken?

Wir empfehlen unseren Gästen, eine Corona-Reiseschutzversicherung abzuschließen. Diese deckt alle Komplikationen rund um eine positive Covid-19-Testung und Quarantänen ab. Prinzipiell ist Covid-19 eine Krankheit wie alle anderen auch. Ecuador verlangt den Nachweis einer privaten

Krankenversicherung für die Einreise. Das heißt, im Fall einer Erkrankung haben die Gäste Zugang zum privatmedizinischen System des Landes, das als vergleichbar mit Deutschland gilt. Schließlich können sich unsere Gäste auf unsere Mitarbeiter vor Ort verlassen. Sie unterstützen bei der Arztwahl, dolmetschen wenn nötig und begleiten, wenn erforderlich.

Wie geht es in den nächsten Wochen weiter?

Das hängt stark von den Impfungen in Deutschland ab. Viele unserer Kunden haben ihre Reise aus 2020 in dieses Jahr geschoben und würden ab April auch reisen, wenn sie geimpft wären. Leider geht es aber mit dem Impfen nur schleppend voran. Wir sind im regen Austausch mit unseren Partnern in Ecuador und den Fluggesellschaften. Sollte es doch schneller gehen, dann sind wir sehr flexibel. Ich wünsche mir von der Bundesregierung ebenfalls mehr Flexibilität. Wie wäre es mit einem Terminportal für Bürger, die immer dann drankommen, wenn Impfdosen übrigbleiben? Das könnte man, wie in NRW praktiziert, über Eventim machen. Ich und meine Kunden wären sofort dabei.

Reisen also wieder ab April/Mai?

Es reisen auch jetzt Kunden mit uns in Ecuador, seit September 2020 geht das, wenn auch auf niedrigem Niveau. Wir hatten im Januar und Februar 2021 zahlreiche Lastminute-Buchungen. Ich plane gerade eine Werbekampagne für Ostern 2021. Die Galapagos-Schiffe sind aktuell so günstig wie nie zuvor, und Galapagos ist einfach wunderschön. Mietwagenrundreisen auf dem Festland sind ebenfalls möglich. Die Berichte unserer Kunden sind großartig.

Sie haben Tagebuch geschrieben und das Projekt im September beendet, da Sie Licht am Ende des Tunnels sahen. Gilt das auch heute noch?

Ja, absolut. Ich war im August 2020 selbst in Ecuador, um mir die Lage anzuschauen. Was ich gesehen habe, hat mich überzeugt. Wir dürfen eins nicht vergessen: Der Lockdown findet auch in unseren Köpfen statt. Den meisten Menschen fehlt gerade die Vorstellung von Normalität. Da schlägt die Perspektivlosigkeit der Bundesregierung wie ein Schlaghammer zu. Tatsächlich aber gibt es viele Länder, die nicht vermeintlich die Bazooka rausholen und mit Geld beruhigen können. Diese Länder haben einen Plan. Vielerorts funktioniert das Leben mit dem Virus deshalb besser als bei uns.

Im Interview mit dem Zeit-Magazin haben Sie gesagt, die Pandemie habe Sie politisiert. Sind Sie bereits einer Partei beigetreten?

Nein, und dazu wird es auch nicht kommen. Das, was wir seit elf Monaten erleben, hat mich sehr ernüchtert. Noch vor zwei Jahren habe ich gesagt, es gibt keinen besseren Ort als Deutschland. Besonders die Art und Weise, wie die Bundesregierung mit uns Unternehmern in der Krise umgeht, ist für mich aber vollkommen inakzeptabel. Man fühlt sich wie eine Kaffeemaschine, die man an- und ausknipst. Unfassbar. Die Kommunikation ist ein einziges Chaos, abseits jedweder Vernunft. Das ist nicht mehr mein Land.

Und jetzt?

Ich werde meine Kräfte noch mehr für Ecuador einsetzen. Ich bemühe mich bereits um eine Staatsbürgerschaft und würde gerne Honorarkonsulin werden. Auch werde ich mit meinen journalistischen Kontakten dafür sorgen, dass das Land mehr Aufmerksamkeit bekommt. Nachdem ich im Februar 2019 Bundespräsident Steinmeier über die Galapagos-Inseln geführt habe, schlug ich ihm vor, einen Wirtschaftsausschuss zur Förderung Ecuadors zu gründen. Für viele Länder gibt es das bereits. Steinmeier verwies mich damals ans Auswärtige Amt und stellte auch den Kontakt her. Seitdem habe ich nie mehr was dazu gehört. Es ist an der Zeit, mich auf den Weg zu machen. Wenn

ich sogar Reisewarnungen ändern kann, warum dann nicht größer denken? Auf das, was da noch kommt!

Frankfurt, 22. Februar 2021