Aktuelle Lage in Ecuador – Interview mit Beate Zwermann


Ecuador – von der Welt vergessen

Quito, im November 2023

Beate, Du bist seit Mitte September 2023 in Quito, wie ist die aktuelle Lage in Ecuador?

Das Leben der Menschen geht weiterhin seinen ruhigen Gang. Die Ecuadorianer waren und sind ein friedliches Volk. Besucher schützen sie liebevoll. Ecuador ist ein Land weit ab vom aufgeregten Weltgeschehen. Das ist gut für die Seele.

Die Nachrichten widersprechen dem aber…

Die mediale Aufgeregtheit weltweit ist wirklich kaum noch zu ertragen und richtet außerdem großen Schaden an. An Ecuador kann man sehr gut sehen, wie sich Journalisten zu Experten aufschwingen, ohne vor Ort zu sein. ARD und ZDF zum Beispiel berichten über Ecuador aus Mexiko und Brasilien heraus. Das Land bekommt nur Aufmerksamkeit bei negativen Nachrichten. Letztlich ist es unwichtig für die Welt und muss diese Art der Berichterstattung über sich ergehen lassen. Diese Film hier verdeutlicht das.

Die Sicherheitslage ist also gut?

Die aktuelle Verschlechterung der Sicherheitslage ist Ecuador von außen aufgezwungen. Bisher kannte man hier weder Bandenkriege noch Drogenkartelle oder Schutzgelderpressung. Leider ist Ecuador während der Pandemie zum Durchgangsland für die Drogenmafias aus Kolumbien, Mexiko, Peru und auch Osteuropa geworden, da es bereits seit Juli 2020 wieder offen und somit für diese das Tor zur Welt wurde. Mit der Normalisierung an den Grenzen werden die Helfer hier im Land nicht mehr gebraucht und suchen sich neue Betätigungsfelder. Mittlerweile sind die Gefängnisse überfüllt. Gleichzeitig hat sich eine Bürgerwehr gebildet. Gerade in den indigenen Gemeinschaften zum Beispiel, bekommt die Mafia keinen Fuß auf die Erde. Aber klar, Geld korrumpiert, wie überall auf der Welt.

Was bekommt man als Besucher mit?

Vor allem die Besorgtheit der Ecuadorianer selbst, aber auch die ein oder andere kuriose Geschichte der Bürgerwehr, die sie gerne erzählen. So wurde ein 24jähriger Mann aus Babahoyo Anfang Oktober in einer indigenen Hochburg dabei erwischt, wie er für ein von ihm selbst gestohlenes Auto Lösegeld erpressen wollte. Die Einwohner unterzogen ihn mit „einheimischen“ Strafen: Er wurde ausgepeitscht, mit kaltem Wasser übergossen und schließlich gelyncht. Gerade die indigenen Gemeinschaften sind nicht zimperlich und statuieren gerne Exempel. Das zeigt Wirkung.

Du meinst also, die Sicherheitslage beruhigt sich gerade?

Ja, davon bin ich überzeugt. Ich bewege mich hier sehr sicher in Quito und laufe morgens quer durch die Innenstadt zur Arbeit. Unsere Gäste fahren unbehelligt durchs ganze Land. In Deutschland gibt es auch Stadtteile oder ähnliche Gebiete, von denen man weiß, dass man sie meiden sollte. So ist das hier auch in den beiden großen Städten Quito und Guayaquil sowie an der Grenze zu Kolumbien.

Wie ist die aktuelle politische Lage?

Die Ecuadorianer haben gerade einen neuen, sehr jungen Präsidenten gewählt, von dem viel erwartet wird. Der Wahlausgang ist ein klares Signal zum Aufbruch und eine Absage an die Politik der Vorgänger. Der neue Präsident Daniel Noboa stammt aus einer der reichsten Unternehmerfamilien des Landes. Das lässt vor allem die Wirtschaft aufatmen. Er verspricht Investitionen in Bildung, Arbeitsplätze und zukunftsgerichtete Industrien. Seine erste Reise nach der Wahl ging übrigens nach Europa und eben nicht in die USA oder nach China. Auch das ist ein Zeichen.

Und wirtschaftlich?

Ich reise seit 1989 nach Ecuador, seit 2004 sogar mehrmals pro Jahr und ich finde die Entwicklung sehr beeindruckend. Ecuador ist ein reiches Land – zum Beispiel an Bodenschätzen, Wasser, Naturwundern etc. Das weckt immer wieder Begehrlichkeiten von außen. Davor muss das Land sich besser schützen und den Reichtum maximal für seine Bürger nutzen.

Stimmt es, dass die Ölförderung im Regenwald eingestellt wird?

Es gab bei den Bürgermeisterwahlen im Februar ein Referendum für den Stopp der Ölförderung im Yasuní-Nationalpark. Dem haben die Ecuadorianer zugestimmt. Erste Plattformen wurden bereits stillgelegt.

Naturschutz vor wirtschaftlicher Entwicklung – kann das gut gehen?

Ecuador hat noch sehr viel mehr Öl und Bodenschätze in anderen Regionen und außerdem bringt der Naturschutz auch Geld ins Land – vor allem über den Tourismus. Der Yasuní-Nationalpark im ecuadorianischen Amazonasgebiet ist immerhin der artenreichste Fleck der Welt und die Galapagos-Inseln ein einmaliges Natur- und Tierparadies.

Das nun durch die Vogelgrippe gefährdet ist…

Wieder so ein Medienhype – echt fatal. Kein Ort auf der Welt wird so geschützt wie dieser Archipel. Und weil das so ist, wissen wir heute, dass bisher nur wenige Fälle von H5N1 gefunden wurden. Der Nationalpark testet seit einigen Wochen regelmäßig und schützt vor allem kleine Populationen von seltenen Vögeln wie die Albatrosse. Aktuell sind fünf von 140 Besuchspunkten geschlossen. Mit Hilfe der Naturführer auf den Schiffen ist es möglich, alle Inseln zu monitoren. Hygienemaßnahmen sind in Kraft, da die Vogelgrippe über den Kot übertragen wird. Der Tourismus, der ja die Haupteinnahmequelle ist, läuft normal weiter.

Sind die Besucherzahlen zurückgegangen?

Das ist fast immer die Folge von negativer Berichterstattung, vor allem, weil es kein Nachfassen gibt. Das negative bleibt quasi am Land kleben. Die gute Nachricht ist, dass wir gerade tolle Angebote machen können und unsere Gäste fast immer überzeugen, gerade jetzt zu reisen. Individueller war es nur während der Pandemie, da war man an vielen Orten fast allein.

Also auf nach Ecuador?

Ja, unbedingt.